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In der Justizvollzugsanstalt Zeithain rasten Jakobspilger

19. März 2019

Wer in Sachsen auf dem Ökumenischen Pilgerweg entlang der Via Regia unterwegs ist, kann an einem besonderen Ort Rast machen. In Zeithain bei Riesa gibt es eine Pilger-Oase in der Justizvollzugsanstalt. Freundlich empfängt Peter die Gäste: „Wo kommt Ihr her? Wo seid Ihr losgepilgert?“, will er wissen. Dann begleitet er sie in die Gartenanlage zu einer kleinen Laube mit Sitzecke. „Pilger-Oase“ steht dort und an der Wand hängt das gemalte Zeichen der Jakobspilger, die Muschel. Schnell holt Peter ein paar Getränke und dann erzählt man sich gegenseitig ein wenig aus dem jeweiligen Leben.

Peter ist nicht irgendein Herbergsvater entlang des Jakobsweges. Er betreut mit einigen Kollegen eine Pilger-Oase, die wahrscheinlich einmalig ist, denn sie befindet sich in einer Justizvollzugsanstalt. In Zeithain bei Riesa können Jakobspilger im Gefängnis Rast machen, genauer in der Gartenanlage, die zum offenen Vollzug gehört. Peter hat seine letzten Monate im Gefängnis vor sich. Er hat hier eine Haftstrafe wegen Drogendelikten abgesessen und sich einer Therapie unterzogen. Die letzte Zeit verbringt er nun im offenen Vollzug, um sich auf das Leben in Freiheit vorzubereiten.

Die Idee für diese Pilger-Oase hatte die Gefängnisseelsorgerin. Einmal im Monat geht Pfarrerin Christel Bakker-Bents selbst mit einigen Gefangenen pilgern. Der Jakobsweg führt direkt am Gefängnis vorbei. „Dieser Abschnitt hier ist etwas eintönig.“ Warum also nicht mit einer besonderen Pilger-Oase für Abwechslung sorgen? Die Verbindung von Pilgern und Gefängnis ist dabei gar nicht so weit her geholt. „Pilgern war in früheren Jahrhunderten auch ein Bußritual. Und Themen wie Schuld und Vergebung beschäftigen auch manchen Pilger von heute“, sagt die Pfarrerin. Ein Blick ins Gästebuch gibt ihr Recht.

Als die Gefängnisleitung von der Idee erfuhr, war sie sofort „Feuer und Flamme“, sagt Christel Bakker-Bents. Die Umsetzung dauerte nicht einmal eineinhalb Monate. Mitten in der Gartenanlage, in der die Gefangenen des offenen Vollzugs Kräuter züchten und sich um Hasen, Gänse, Ziegen, Schnecken und andere Tiere kümmern, wurde die Pilger-Oase eingeweiht. 60 bis 70 Pilger haben hier im vergangenen Jahr Rast gemacht, schätzt Rene Hofmann, der Leiter der Arbeitstherapie. Sie können sich ausruhen und mit den Gefangenen und den Vollzugsmitarbeitern ins Gespräch kommen. Mitunter entstehen daraus sogar lose Briefkontakte. Peter zum Beispiel hat einen Pilger aus Leipzig kennengelernt, mit dem er Kontakt hält. „Auch das wollen wir erreichen – einen Brückenschlag zwischen Strafvollzug und Gesellschaft. Die Menschen hier im Gefängnis sind keine Monster, auch sie haben eine Würde und brauchen den Kontakt zu anderen“, sagt die Gefängnisseelsorgerin.

Im Gartengelände gibt es ein angelegter Begegnungsgarten – mit Duftoase, einem Wasserlauf, um die Füße zu kühlen, Barfußweg und Laubhütte. Eine Einkehr lohnt sich also – und wer zufällig am letzten Freitag eines Monats vorbeikommt, kann im Hofladen Produkte kaufen, die die Gefangenen hergestellt haben, und leckeren selbstgebackenen Kuchen probieren. Nur Übernachtungen für Pilger sind aus Sicherheitsgründen nicht möglich.

Matthias Holluba |Tag des Herrn

 

Die gelbe Muschel auf blauem Grund weist in den Garten des offenen Vollzugs. Dort gibt es eine schattige Laube an einem Teich, wo sich Pilger ausruhen können. Vielleicht entstehen Begegnungen zwischen Pilgern, Gefangenen und Vollzugsmitarbeitern, aus denen alle mit neuem Blick herausgehen.

 

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