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Im Stall hinter Stacheldraht: Knast-Krippe gefertigt

24. November 2021

Es ist über ein Jahr her, da wurden die beiden Gefängnisseelsorger Michael King und Stefan Thünemann aus Herford durch eine Veröffentlichung auf die erste „Knastkrippe“ in der Justizvollzugsanstalt Karlsruhe aufmerksam. Für die beiden Seelsorger war sofort klar: „So eine Krippe wollen wir in Herford“. Die Anstaltsleitung gab grünes Licht und so entstand das Projekt, mit inhaftierten Jugendlichen eine Weihnachtskrippe zu entwickeln.

Man nahm Kontakt zum Holzbildhauer Rudi Bannwarth in Ettlingsweiler bei Karsruhe auf, der sich sofort auf den Weg nach Ostwestfalen machte. Dort erwarteten ihn zwei lange Tage im Knast. Die Justizvollzugsanstalt in Herford ist ein Gefängnis für eirca 300 jugendliche Straftäter. Für Rudi Bannwarth war dies eine besondere Erfahrung. Er hat mit einer Gruppe junger Inhaftierter gesprochen, ist langsam durch die langen Flure gegangen, vorbei an den massiven Zellentüren. Als er das Gebäude mit den hohen Klinkermauern wieder verließ, „musste ich das ersteinmal verarbeiten“, sagt Rudi Bannwarth. Aber er betont auch: „Ich möchte diese beiden Tage nicht missen.“

Hohe Mauern und Stacheldraht

Vielleicht musste sich der Holzbildhauer dieser Realität so aussetzen, damit seine Arbeit an der Krippe so schmerzhaft authentisch werden konnte, wie er sich das vorstellte. Deshalb ist die Krippe für das Herforder Gefängnis wie schon Bannwarths erste Krippe kein erbauliches und auch kein tröstendes Krippenbild. Auch die Herforder Krippe zeigt schonungslos die Lebenswirklichkeit. Der jugendliche Strafgefangene sitzt auf dem Bettgestell in seiner Zelle, umgeben von seinem Großvater und seiner Mutter. Hoffnungslosigkeit prägt die Szenerie. Hohe Mauern und Stacheldrahtzäune bilden den äußeren Rahmen der Krippe. Hinter dem jungen Mann zeigt ein Graffito einen Männerkopf mit langen Haaren und Bart – stellt es Jesus dar? Das Fenster in der Zelle ist abgedunkelt und vergittert.

Krippe deprimierend realistisch

Alle Detaildarstellungen haben einen tiefen Hintergrund. Auch einen Engel, der die Verkündigung bringt, gibt esin der Knastkrippe. Er ist weißund erscheint in Latzhose und Sonnenbrille im dunklen Zellengang. Die Krippe in Herford wird sukzessive weiter ausgebaut. „Krippen wie diese entstehen über Jahre. Aktuell stehen der Großvater und die Mutter beim Jungen, denn einen Vater kennen die meisten jugendlichen Straftäter nicht“, sagt Rudi Bannwarth. „Die Frauen sind oft alleine gelassen mit der Erziehung der Kinder. Deshalb ist für viele der Großvater wichtig“, ergänzt der evangelische Gefängnisseelsorger Stefan Thünemann. „Die neue Krippe ist fast deprimierend realistisch. Denn es waren die Jugendlichen, die die Figuren vorgeschlagen haben. Der Stall ein Haftraum, isoliert von der Welt, die Kulisse ist der Justizvollzugsanstalt nachempfunden“, sagt der katholische Gefängnisseelsorger Michael King.

Stern bohrt sich ins Mauerwerk

Glänzend, als Zeichen der Hoffnung zu verstehen, ist in dieser Szenerie nur der Stern von Bethlehem, der in vielen Bannwarth-Krippen den Rahmen sprengt. Im Gefängnis in Herford sicht es aus, als hätte sich der Stern ins Mauerwerk gebohrt. Ein goldener Strahl dringt bis in den Gang des Gelängnisses vor. Der Rest des Sterns steckt fest, hinter Stacheldraht und dicken Mauern. Ein kleiner Hoffnungsschimmer bleibt, dass er vielleicht doch irgendwann Löcher in diese Wände reißt und mit seinem Licht die Finsternis erhellt.

Werner Bentz | Mit freundlicher Genehmigung: Badische Neuste Nachrichten | Fotos: Andrea Fabry

 

 

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