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Putzen: Vor der eigenen Haustüre kehren

30. Oktober 2019

Das Putzen in deutschen Gefängnissen gehört tagtäglich zum Arbeitsgeschäft der Gefangenen. Da gibt es eigens dafür Hausarbeiter, die die Flure kehren und wischen. Jeder Inhaftierte wird angehalten, seinen eignen Haftraum sauber zu halten. Die so genannte Hofkolonne beseitigt den Müll, der sich nach jeder Nacht vor den feinvergitterten Fenstern durch das Weiterreichen von Tabak und Gegenständen mit dem so genannte „Pendeln“ ansammelt. Es ist wie in so manchen schwäbischen Mietwohnungen, an der das Kehrwochen-Schild vor der Tür hängt: Die dringende Aufforderung zu putzen.

Im Gefängnis gibt es keinen Staubsauger für die Gefangenen. Die Ausstattung ist auf einen Schrubber, einen Lappen, einem traditionellen Besen und einen Eimer beschränkt. Manche der Gefangenen fluten regelrecht ihren Haftraum mit Kaltwasser, um diesen noch sauber zu machen. Sie ziehen das zu viel ausgeschüttete Wasser mit dem Plastik-Kehrblech aus dem Fenster. Ob es dabei sauberer wird, ist fraglich. Jeden zweiten Tag werden die Utensilien zum Reinemachen an jeden Haftraum verteilt und nach einer gewissen Zeit wieder eingesammelt.

In fast jeder Justizvollzugsanstalt wird die Zertifizierung zum Gebäudereiniger angeboten. Dabei kann man „Scheine“ erwerben, die einen als „staatlich geprüfter Gebäudereiniger“ auszeichnen. So manche Reinigungsmittel sind sehr gefragt und werden dabei auch schon einmal auf den Haftraum mitgenommen. Dabei hat man nicht nur das Putzen im Blick. Desinfektionsmittel werden gerne als Alkoholersatzstoff benötigt, was sehr gefährlich sein kann. Ansonsten wird Duschgel als Geschmacksverstärker ins kalte Wasser gemischt. Damit es gut riecht. Der entstehende Schaum spielt keine Rollte. Dies wird mit dem „Profi-Flitscher“ abgezogen und das Wasser mit dem Plastik-Kehrblech entsorgt.

Im übertragenen Sinne ist das Putzen sprichwörtlich auch innerlich gemeint. Es geht um das Aufräumen seines Lebens, das Anschauen seiner Ressourcen und Defizite. Allzu gerne wird auf den Andere geschaut: „Gott sei Dank bin ich nicht so schlimm, wie der Mitgefangene X oder der Gefangene Y. Ich habe nur eine leichte Körperverletzung begangen…“ Vor seiner eigenen Haustüre zu kehren wird eher verdrängt. Sich mit anderen zu vergleichen oder sich damit aufzuwerten lenkt vom eigenen Schicksal ab. Die Redensart meint,  dass man zuerst bei sich selbst schauen soll, ob alles in Ordnung ist, bevor man über andere herzieht. Besonders hinter den Mauern kommt dies zum tragen. Schon biblisch sagt Jesus: „Wer ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein“ (Johannes 7,53–8,11). In der Bergpredigt ist vom Splitter und Balken im eignen Auge die Rede (Matthäus 7,3–5).

Die Sorge um die im Gefängnis sitzenden Menschen, ob unschuldig oder schuldig, gehört von Anfang an zu den vornehmsten Aufgaben der Kirche. Kirche ist Kirche für die Armen, Bedrängten und am Rande der Gesellschaft stehenden und sie war es von Anfang an. Die Gleichnisse vom verloren Sohn (Lukas 15,11 ff), vom verlorenen Schaf und der verlorenen Drachme (Lukas 15,3 ff) waren gemäß dem Auftrag Jesu immer die Maximen pastoralen Handelns der Kirche. Da hilft es, die Dinge einzuordnen und erst einmal „vor der eigenen Haustüre zu kehren“ bevor ich mir ein Urteil erlaube.

Michael King | JVA Herford

 

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