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Hamperle – Mal schräg sein und gelten lassen können

20. Oktober 2021

Wissen Sie was ein „Hamperle“ ist? Das muss aus dem Schwäbischen oder Badischen kommen. Das „le“ als Verniedlichung am Endes eines Wortes ist in Baden-Württemberg weit verbreitet. Manches Mal wird die Verniedlichung als Schimpfwort gebraucht, aber auch als Kosewort. Ein „Hamperle“ ist jemand, der/die auffällt, der oder die nicht in die Norm passt. Der oder die auch mal einen Burger mit Pommes verschlingt. Wie wir alle, die einmal aus der Reihe tanzen. Oder? In machen Kreisen ist dies kein Aufreger. Es gibt den „Hamperleverein“ in Schapbach im Schwarzwald. Das ist ein Narrenverein.

Da steigt einer in Biberach (Baden) in meinen Bus. Und was für einer! Wie der aussieht: ungepflegt, wilder Bartwuchs, billige Klamotten, ausgelatschte Schuhe und eine abgetragene Tasche. Ein richtiges Hamperle. Er setzt sich vorne hin. Ich frage ihn: „Möchten Sie einen Apfel?“ – „Ja“, sagt er. Und schon isst er ihn, ohn´ ihn vorher abzuputzen. – Mein Gott, muss der Hunger haben, denke ich. „Und wo wollen Sie hin?“ – „Nach Oberharmersbach ins Hospiz“, sagt er. Und Aids hat der arme Kerl auch noch! …

Manfred, Busfahrer, in seiner späteren „Beichte“

Ein Hamperle

Ich brauche einen
nur zu sehen
und schon weiß ich:
So einer ist das.

Einer braucht mich
nur zu sehen,
und schon weiß er:
Das ist auch so einer.

Petrus Ceelen

Ich weiß noch gut, was meine Mutter mir vor fast 50 Jahren sagte, als sie zum ersten Mal Petrus Ceelen, den katholischen Pastoralreferenten, den Aids- und Gefängnisseelsorger, den Belgier und Kirchenkritiker sah: „Schau her, vor der Tür steht einer, der sieht aus wie so ein persischer Teppichhändler!“

Claudia

Als der Zug in den Karlsruher Bahnhof einfährt, fragt mich der Typ, der die ganze Fahrt schräg mir gegenüber saß: „Soll ich Ihren Koffer herunternehmen.“ Verwundert sage ich: „Ach, Sie sprechen Deutsch?!“ – „Ja“, antwortet er, „aber ich bin kein Deutscher.“ – „Habe ich es doch gewusst“, sage ich: „Sie sind Russe!“

Petruschka Putkin

In Spanien verstehen die Leute nicht, dass ihre Sprache mir spanisch vorkommt. Obwohl ich Belgier bin, werde ich dort für einen Fremden gehalten. Wenn Menschen mich nach dem Weg fragen, ist oft die erste Frage, ob ich sie verstehe. In Israel scheine ich ein richtiger Jude zu sein. Araber sprechen mich an mit dem Gruß: „Salam alaikum“. Und wie oft wurde ich in Stuttgart gefragt: „Du türkisch Mann?“ Und auf offener Straße muss ich mir sagen lassen: „Schaut den mal an: Der sieht aus wie Bin Laden!“ Mein Gott, wie sehe ich denn aus, dass jeder in mir etwas sieht, was ich nicht bin?! Dabei bin ich doch nichts anderes als die anderen auch: ofw, ohne festen Wohnsitz, auf der Durchreise, ein Hamperle eben, nicht wahr Manfred?

Petrus Ceelen

Wir alle sind auf der Lebens-Durchreise und „Hamperle“. Mal schräg und daneben, mal angepasst und konform. Da brauchen wir uns nicht aufregen über „die Anderen“: die Wohnsitzlosen, die Straffälligen, die Schwulen, die Nichtangepassten oder die anders aus der Reihe tanzen. Es ist gut so, anders zu sein. Das „Ich-sein“ ist wertvoll. Damit kann ich die Welt verändern. Petrus Ceelen verkörpert dies mit seiner Person und seiner Lebensgeschichte. Als Mensch, der Trauende begleitet, der kein Blatt vor den Mund nimmt und der selbst am kämpfen ist. Ein echtes „Hamperle“ eben. Ein wirklicher Narr und Mensch. Die Dankes-Zettel erzählen davon.

 

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