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Sind Haftstrafen gerecht und angemessen?

27. März 2019

Wer kriminell ist, muss hinter Gitter – das ist ja wohl nur gerecht. Aber ist es wirklich so einfach? Seelsorger und Gefangene der Justizvollzugsanstalt (JVA) Würzburg sprechen über Gerechtigkeit im Strafvollzug. Grundsätzlich hadert zum Beispiel der Inhaftierte Musta nicht mit seiner Haftstrafe, so wie die meisten der aktuell etwa 550 Gefangenen in der JVA Würzburg.

Musta ist seit vier Jahren Gefangener in der Justizvollzugsanstalt Würzburg. Etwa zehn Quadratmeter hat der 27-Jährige für sich zur Verfügung – spartanisch ausgestattet mit Stuhl, Tisch, Bett, Fernseher und Nasszelle. Der Alltag in der JVA ist streng geregelt, Freiheiten sind auf ein Minimum reduziert. Musta sitzt wegen Körperverletzung, ganz nachvollziehen kann er das Gerichtsurteil aber nicht. „Meiner Meinung nach habe ich in Notwehr gehandelt, das wurde aber nicht berücksichtigt“, erzählt er. Die viereinhalbjährige Freiheitsstrafe findet der Gefangene nicht angemessen.

Manche werden aus Armut straffällig

„Ungerecht behandelt fühlen sich vor allem Insassen, die aus finanzieller Not heraus gehandelt haben und das Verhältnis zwischen Straftat und Strafe im Ungleichgewicht sehen“, berichtet die Gefängnis-Seelsorgerin Astrid Zeilinger. Als klassisches Beispiel bezeichnet die Pfarrerin Insassen, die wegen Schwarzfahrens hinter Gittern gelandet sind. „Oft erzählen diese Gefangenen, dass sie gerade genug Geld für die Miete zur Verfügung hatten, es für das Ticket aber schlichtweg nicht mehr gereicht hat“, sagt Zeilinger. Hier sieht sie den Fehler im System. Denn durch eine Gefängnisstrafe wird nicht nur der Verurteilte bestraft, sondern die gesamte Familie. Gleichermaßen entsteht auch ein volkswirtschaftlicher Schaden, wenn Menschen durch eine Haftstrafe ihre Arbeit verlieren und danach auf Sozialleistungen angewiesen sind.

Zeit im Gefängnis als Chance nutzen

„Für Gefangene, die sich schwererer Vergehen schuldig gemacht haben, ist die Haftstrafe hingegen oft auch die Chance auf einen Neuanfang“, sagt die Seelsorgerin. So geht es auch Sabrina. Sie wurde wegen Körperverletzung zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Die 26-Jährige sieht darin nicht nur eine gerechte Strafe, sondern versucht auch das Beste aus ihrer Zeit in der JVA zu machen. Sie macht während ihrer Haft ihren Hauptschulabschluss nach, berichtet aber auch von einer persönlichen Entwicklung. „Hier hat sich nicht nur meine Einstellung gegenüber Straftaten geändert, sondern ich habe auch viel über den Umgang mit Mitmenschen gelernt“, erzählt Sabrina.

Ohne Einsicht keine Verhaltensänderung

Gefängnisseelsorgerin Astrid Zeilinger hält die Kombination aus Strafe und Resozialisierung für einen guten Weg, um Gerechtigkeit zu schaffen. Aus theologischer Sicht hält sie Schuldeinsicht für den ersten Schritt, um Vergebung zu erlangen und Gerechtigkeit herzustellen. Sie berichtet von einem großen Umdenken, das bei vielen Insassen erst während der Haft eintritt. „Viele erzählen, dass sie diese Zwangspause gebraucht haben, um aus der alten Schiene rauszukommen“, beschreibt Zeilinger ihre Erfahrungen. Ähnlich sieht es auch Musta. Sozialpädagogische Gespräche haben ihm geholfen, sich aktiv mit sich selbst auseinanderzusetzen und seine Einstellung zum Leben zu wandeln. Allein mit dem Absitzen einer Haftstrafe ist es seiner Meinung nach nicht getan. Musta sieht jeden Gefangene selbst in der Pflicht, Wiedergutmachung zu leisten. „Man muss sich auch ändern wollen“, lautet sein Fazit.

BR24 Redaktion

 

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