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Gefängnisseelsorger sammelt Rosenkränze für Häftlinge

26. November 2021

Gefängnisseelsorger Matthias Fobbe von der Justizvollzugsanstalt Wuppertal-Vohwinkel hat eine ungewöhnliche Sammel-Aktion gestartet. Wer einen Rosenkranz zu verschenken hat, kann ihn an Häftlinge in der Justizvollzugsanstalt Wuppertal spenden. Die Nachfrage ist seitens der Gefangenen groß. Der Rosenkranz ist im Knast neben Modeschmuck auch ein Bekenntnis zum christlichen Glauben. Das Kölner Domradio interviewt den Gefängnisseelsorger zu seiner Idee.

Sie sammeln Rosenkränze für Gefangene. Wie kam es dazu?

Die Männer im Gefängnis fragen regelmäßig nach Rosenkränzen. Anfangs habe ich mich auch gefragt warum. Sie sind eigentlich nicht so fromm, dass sie fleißig Rosenkranz beten würden. Interessant ist auch, dass nicht nur Katholiken nach Rosenkränzen fragen, sondern auch orthodoxe und evangelische Christen. Mit der Zeit stellte sich dann heraus, dass das für die Christen im Gefängnis ganz viel mit Identifikation zu tun hat. Die wollen sich zu ihrem Glauben bekennen, weil wir natürlich eine große große Anzahl von muslimischen Gefangenen haben, die wie ganz selbstverständlich ihre Gebetsketten benutzen und damit unterwegs sind. Es ist aus meiner Sicht also ein Bekenntnis zum christlichen Glauben, was den meisten vielleicht gar nicht so richtig bewusst ist. Aber wenn wir die Ketten verteilen, geben wir immer eine kleine Anleitung mit. Darin wird erklärt, woher das Rosenkranzgebet kommt und was es bedeutet, nämlich wesentliche Charaktereigenschaften von Christus zu betrachten.

Tragen die Menschen den Rosenkranz im Gefängnis dann einfach mit sich herum oder wird sich auch aktiv über den Glauben ausgetauscht?

Die meisten Inhaftierten tragen den Rosenkranz um den Hals. Deswegen sind die großen Ketten besonders gefragt, die man über den Kopf anziehen kann. Einige bringen ihn samstags auch mit in den Gottesdienst. Darunter sind beispielsweise auch Gläubige, die nicht so gut Deutsch können und der Predigt im Gottesdienst nicht folgen können. Die beten dann parallel so ihre eigenen Gebete. Einem Inhaftierten habe ich mal einen sehr schönen Rosenkranz aus Belgien aus der Kathedrale in Lüttich geschenkt. Immer, wenn ich irgendwo auf schöne Exemplare stoße, dann schlage ich zu und bringe ein paar Kränze mit. Der Gefangene hat diesen Rosenkranz seit über einem Jahr, hält ihn heilig und bringt ihn in die Gottesdienste mit.

Ein Kollege, der in den Ruhestand gegangen ist, hat mir eine Kiste mit religiösen Gegenständen vererbt. Darin waren auch Rosenkränze. Die sind aber jetzt seit längerer Zeit vergriffen. Man darf aus Sicherheitsgründen auch nicht alles in der Anstalt verteilen, zum Beispiel Gegenstände, mit denen jemand anderen Schaden zufügen könnte oder sich strangulieren könnte. Da ist mir durch den Kopf gegangen, was ich früher als Priester häufiger in Gemeinden erlebt habe. Wenn alte Menschen sterben, räumen oftmals deren Kinder ihre Wohnung auf. Dabei fallen ihnen allerhand religiöse Dinge in die Hand.

Auch wenn sie selbst damit vielleicht nichts mehr anfangen können, haben sie immerhin den Anstand, diese Sachen nicht in die Mülltonne zu werfen. Die kommen dann ins Pfarrhaus und sagen: „Herr Pastor, können Sie das gebrauchen?“ Bei mir ist daraus eine kleine Sammlung von Kreuzen entstanden, die ich in meinem Arbeitszimmer aufbewahrt habe. Darunter sind richtig schöne Exemplare. So kamen auch Rosenkränze dazu. Aus diesem Grund dachte ich mir, dass auch anderswo noch Rosenkränze „übrig“ sein könnten. Es gibt ja viele Menschen, die so etwas von Pilgerreisen aus Rom, Lourdes oder Fatima mitgebracht haben und wo diese Rosenkränze vielleicht irgendwo schlummern und bei den Männern im Knast eine gute Verwendung fänden.

Wie wichtig ist denn den Menschen im Gefängnis der Glaube allgemein?

Die Männer im Gefängnis haben sehr viel Zeit zum Nachdenken. Sie müssen sich fragen, was in der Vergangenheit war, warum sie dort sind, ob sie schuldig oder unschuldig sind – insbesondere in Untersuchungshaft. Das ist eine extrem angespannte Zeit. Da kommt man immer wieder auf die Frage: Was habe ich gemacht? Was ist mir „passiert“ oder in welche Zusammenhänge war ich verwoben? In welche unglücklichen Familienverhältnisse bin ich vielleicht hinein geboren? Oder in welche Cliquen oder Clans bin ich hineingeraten? Da spielt letztendlich der Glaube auch eine Rolle. Woran halte ich mich fest? Woran kann ich mich hier im Knast, in diesem lebensfeindlichen Lebensumfeld festhalten? Die Besonderheit der Gefängnisseelsorge ist, dass wir die Einzigen sind, mit denen die Männer am Ende über alles sprechen können, weil kein Richter und kein Staatsanwalt uns in den Zeugenstand rufen kann. Selbst wenn jeder weiß: „Der Fobbe weiß genau, was gewesen ist“, kann mich aufgrund des Beichtgeheimnisses kein Richter der Welt belangen. Alles, was die Inhaftierten mit mir besprechen, ist und bleibt top secret. Je nach Straftdelikt macht das natürlich nicht immer Spaß. Aber das ist dennoch eine wichtige Voraussetzung.

Wir Seelsorger versuchen den Menschen Halt zu geben. Es gibt samstags beispielsweise nach dem Gottesdienst eine Bibel-Gruppe. Da setzen wir uns mit Themen des Glaubens auseinander. Zum Beispiel lesen manche Häftlinge die Bibel und fangen vorne an, wie man eben ein Buch liest. Da kommen die natürlich irgendwann total durcheinander, weil es keinen Sinn ergibt und kein roter Faden erkennbar ist. Da habe ich letzten Samstag in der Gruppe einfach mal erklärt, wie die Bücher in der Bibel so aufgebaut sind und dass man die Bibel nicht wie einen Roman oder ein Krimi von vorne nach hinten lesen kann. Sondern man muss schauen, wovon die Texte handeln. Ein Psalm ist anders als das Hohelied der Liebe oder die Offenbarung des Johannes. Und natürlich liest sich ein erklärungsbedürftiger Text nicht so einfach wie das Markusevangelium.

Das Interview führte Carsten Döpp | Domradio.de

 

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