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Gibt es eine Ethik des Wollens im Knast?

26. Februar 2019

In unserer heutigen Welt greifen Rechtsnormen in alle Lebensbereichen des einzelnen Menschen ein. Rechtsnormen können das Leben schützen aber auch komplett zerstören. Hier muss nun gefragt werden, ob Rechtsnormen nur plausibel sein müssen oder allgemeingültig und moralisch begründbar? Kann verantwortet werden, dass z.B. ein Mensch zu lebenslänglicher Haft verurteilt wird, obwohl die Allgemeingeltung einer Rechtsnorm nicht zweifelsfrei feststeht? Dies würde bedeuten, dass ein Gesetz gegen den Willen eines Menschen angewendet werden darf, wenn seine Allgemeingeltung nicht feststeht?

Der Philosoph Malte Hossenfelder versucht Normen nachzuweisen, die schon immer eine Allgemeingeltung besitzen, um Unrecht zu vermeiden. Anhand der „Ethik des Wollens“ soll in aller Kürze dargestellt werden, wie Hossenfelder Rechtsnormen begründet, die alle Menschen notwendigerweise wollen, die also niemand nicht wollen kann. Etwas wollen bedeutet in diesem Kontext, die notwendigen Mittel zu ergreifen, um seine gesetzten Zwecke zu verwirklichen. Jeder Mensch verfolgt also bestimmte Zwecke im Leben, diese Zwecke möchte jeder auch erreichen. Hierbei sind für Hossenfelder zwei Maximen von Bedeutung

  1. „Ich will all meine Zwecke erreichen“ und
  2. „Ich will alle notwendigen Mittel zu meinen Zwecken ergreifen“.

Nun kommt es aber vor, dass die Menschen unterschiedliche Zwecke verfolgen, welche in Konkurrenz zueinanderstehen. Aus dieser Erkenntnis schließt Hossenfelder, dass jeder an einer Rahmenordnung interessiert ist, die gewährleistet, dass jeder seine Zwecke verfolgen kann. Er sieht eine Zweckharmonie nur dann gegeben, wenn es allgemeine Normen gibt, die Konflikte vermeiden. Diese Rahmenordnung schränkt die beliebige Auswahl von Zwecken ein und regelt die Verfolgung der individuellen Zwecke, so dass es keine Konflikte gibt (bzw. diese gelöst werden). Da jeder diese Zweckharmonie wolle, so Hossenfelder, bestehe der allgemeine Wille zum Recht (Recht als Inbegriff der Bedingung einer allgemeinen Zweckharmonie).

Deswegen ist anzunehmen, dass Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik Deutschland (BRD) den allgemeinen Gesetzen (Rahmenordnung) der BRD zustimmen und diese auch wollen. Wäre dies nicht der Fall, müssten sie aus dem Gesellschaftsvertrag austreten und wären nicht mehr Bürger der BRD, dies wird von den wenigsten Bürgern gewollt. Ein Gesellschaftsvertrag (Gesetze der BRD) ist also eine freiwillige Übereinkunft. Damit Rechtsnormen legalisiert, umgesetzt und befolgt werden können, ist das gemeinsame „Wollen“ der Partner konstitutiv. Allerdings gibt es Menschen, die Gewalt anwenden, um ihre Zwecke zu verfolgen.

An einem trivialen Beispiel soll erläutert werden, warum Gewalt kein geeignetes Mittel zur Zweckerreichung ist und dass ein Gewalttäter seiner eigenen Sanktionierung zustimmt bzw. diese sogar will: „Ein Mann möchte sich ein Auto kaufen, hat aber keine Möglichkeiten dazu, er sieht keinen anderen Weg, als eine Bank zu überfallen.“ Der Gewalttäter sieht in der Gewaltausübung eine Möglichkeit seine Zwecke zu verwirklichen, andere Menschen sind ihm gleichgültig. Nach diesem Denkmuster würde immer der Stärkere siegen und es gäbe keine Sicherheit, seine Zwecke zu verwirklichen. „Wenn man selbst seine Zwecke mit Gewalt erreichen möchte, schafft man sich mutwillig ein Risiko, das vorher nicht vorhanden war.

Da man gegen den Willen anderer handelt, erzeugt man Gegenwehr […],“ die anderen Menschen werden nämlich alles daransetzen, die Zweckverwirklichung des Gewalttäters zu verhindern. Nun kann auch nicht gesagt werden, dass der Gewalttäter grundsätzlich Rechtsnormen ablehnt, denn nachdem er das Geld geraubt hat, möchte er natürlich nach den Handelsgesetzen sein Auto kaufen. „Der normale Gewalttäter greift nur in bestimmten Fällen zu Gewalt, ansonsten aber nimmt er den Schutz der Gesetze in Anspruch“. In diesen Fällen kann aber davon ausgegangen werden, dass der Gewalttäter Gewalt als legitimes Mittel zur Zweckverwirklichung ansieht. Das heißt, ein Gewalttäter müsste nach der „Ethik des Wollens“ nichts dagegen haben, wenn er mit Gewalt daran gehindert wird seine Zwecke zu verwirklichen, um die Zweckharmonie wiederherzustellen. Er setzt sich nämlich bewusst dem Risiko aus gefasst zu werden und so den anderen zu unterliegen, sodass diese ihre Zwecke, z.B. die Verwirklichung der Zweckharmonie erreichen.

 Auszug aus der Bachelorarbeit von Johannes Brockjann

 

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