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Ein Anfang in der Digitalisierung für Gefangene?

10. Juni 2021

Ein Paukenschlag in der Digitalisierung im Jugendvollzug: In der JVA Herford wurden in drei Abteilungen sogenannte Kioskabfragecomputer ähnlich die eines Fahrkartenautomaten installiert. Damit können Inhaftierte mit ihrer Buchnummer und ihrem Geburtsdatum ihren Lohnkontostand abfragen. Auf Nachfrage wird gesagt, dass das System erweitert werden kann. Über das Auskunftsterminal erhalten Gefangene aus dem Datennetz der Justizvollzugsanstalt Informationen zu auferlegten Haftkosten oder Lohnabrechnungen abrufen. Das sei nur ein Anfang in der digitalen Kommunikation hinter Gittern.

 

So sei angedacht, dass man abfragen kann, wann Besuch eingetragen ist oder in Zukunft Konferenzprotokolle gelesen werden können, wenn diese einen Gefangenen betreffen. Digitale Anträge an die Seelsorger oder den Sozialarbeiter zu stellen „wäre“ auch möglich. „Der Justizvollzug soll die Gefangenen befähigen, künftig ein Leben in sozialer Verantwortung ohne weitere Straftaten zu führen. Deshalb ist der Justizvollzug u.a. so zu gestalten, dass soweit wie möglich die Verhältnisse im Justizvollzug den Verhältnissen außerhalb des Vollzuges anzugleichen sind“, so die offizielle Begründung für das Pilotprojekt.

Ein Pilotprojekt

Die JVA Herford ist für die Digitalisierung als Pilotprojekt ausgesucht worden. Bundesweit ist es die erste Anstalt, die mit dem Kioskterminal Informationen mit der anstaltsinternen Software BasisWeb für die Inhaftierten zulässt. Medienkompetenz zu erlernen gehört zum Resozialisierungsziel. In diesem Bereich hängt der Justizvollzug seit Jahren hinterher. Es gibt bis dato spärlich schulische Angebote hinter den Mauern zur Nutzung digitaler Programme wie Word oder Excel. Die Nutzung digitaler Informationstechnik ist bislang für Gefangene nicht möglich. Sie entfernen sich immer weiter von der Lebenswirklichkeit und finden nach ihrer Entlassung zunehmend schwieriger dorthin zurück. Alle Dinge werden über das Internet geregelt: Arbeitsplatzsuche, Bewerbungen, Wohnungssuche bis hin zur Kommunikation in sozialen Netzwerken. Als Überzeugungstäter in Sachen Digitalisierung, wie sich der Anstaltsleiter Friedrich Waldmann selbst betitelt, ist es ihm ein Anliegen, dass die Schere zwischen drinnen und draußen nicht zu groß wird. Es geht darum, dass „Hilfe zur Selbsthilfe“ geleistet wird. Digitalisierung heißt nicht nur per Skype mit Angehörigen in Kontakt treten zu können. Auch Niedersachsen betreibt im Verbund mit weiteren Bundesländern und Österreich die besonders gesicherte elis-Lernplattform. Sie stehen für Ausbildung und zur Vorbereitung auf die Entlassung bereit. Natürlich nur für freigeschaltete Internetseiten.

Tablets für Gefangene

Zehn Tablets sind in der Sozialtherapeutischen Abteilung der JVA Herford in hoffentlich naher Zukunft nutzbar. Wie sich die Nutzbarkeit für die Inhaftierten praktisch umsetzen lässt, ist noch offen. Die Computer-Tablets sollen über kein Aufnahmespeicher verfügen. Verzichtet wird auf Kamera, LTE und ein Speichermedium. Zur eingesetzten Hardware gehören neben den Computer-Tablets die Netzwerkstruktur und das Kioskterminal auf der Abteilung. Die Gefangenen dürfen E-Mails versenden, können auf sichere Internetseiten, Lernprogramme sowie Spiele und Unterhaltungsprogramme zugreifen. Diese Vorgänge sind allerdings „getunnelt“ und werden überwacht. Doch diese Verwirklichung lässt noch auf sich warten. Wie lange dies noch dauern wird ist fraglich. „Sehr skeptisch bin ich bei mobilen Telefonen in den Hafträumen“, sagt der Minister der Justiz. „Da ist einfach die Missbrauchsgefahr zu groß“, führt er aus. Der Minister ist stolz darauf, dass der Auftakt gemacht ist. „Und das eben nicht für ein Bestellsystem der Gefangenen, sondern dass Inhaftierte lernen, mit digitalen Medien umzugehen.“

Grundstein für digitales Zeitalter

Mit der Einführung des Kiosksystems in der Justizvollzugsanstalt Herford sollen künftig die Jugendstrafgefangenen die Möglichkeit haben, selbstständig die Informationen in Angelegenheiten zu ziehen, die sie persönlich betreffen. Über das Kiosksystem erhalten sie aus dem Datennetz der Justizvollzugsanstalt Informationen zu Haftkosten und sie können sich ihren Kontoauszug ebenso ansehen wie noch ausstehende Buchungen. Schließlich informiert das System über offene Freistellungskontingente, d.h. durch Arbeit im Justizvollzug erarbeitete freie Zeit. Bislang haben die Jugendstrafgefangenen jeweils über einen Antrag die Bediensteten bitten müssen, ihnen diese Informationen zukommen zu lassen.

Noch keine interaktive Funktionen

Ein Gefangener sagt zum digitalen Terminal auf dem Abteilungsflur, „dass der wöchentlich ausgedruckte Lohnschein auf DIN A 4 Papier mehr aussagt, als die Infos auf dem Bildschirm. Es ist eine Einbahnstraße, noch ist keine interaktive Funktion möglich“, sagt der junge Inhaftierte. In der Präsentation wird betont, dass eine digitale Antragstellung, der Abruf von Besuchsterminen, Freizeitgruppen bis hin zu einem Online-Shop möglich sind. Der Grundstein ist gelegt. Dies wird mit dem coronakonformen Pressegespräch mit dem Minister der Justiz im Kabinett Laschet, Peter Biesenbach (CDU), gefeiert. Der Anstaltsleiter fügt an: „Die Veranstaltung insoweit wichtig, als dass wir den Grundstein für den Einstieg in das digitale Zeitalter für die Gefangenen legen, und damit letztlich auch irgendwo ein neues Zeitalter im Justizvollzug des Landes NRW.“ Dem kann man nur zustimmen. Ist nur die Frage, wieviel Jahre bis dahin noch vergehen. Die Praxis soll den Bedarf erarbeiten, in welchem Rahmen für Gefangene und Bedienstete gleichermaßen das System an Auskunftsmöglichkeiten ergänzt werden soll.

Michael King

 

1 Rückmeldung

  1. Hayko sagt:

    Digitales Zeitalter? Schönes NRW… In Bayern werden derzeit JVA Erweiterungsbauten ohne Telefonanschlüsse geplant. Fertigstellung 2030… Aber was soll’s, sind ja nur Gefangene…

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