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Eigentliche Katastrophe hinter dem Beichtgeheimnis

4. November 2021

Das Wort “Vergebung” ist nach Schließung der JVA Düsseldorf-Derendingen in Graffitischrift in den Beichtstuhl der dortigen Kapelle gesprüht worden…

Das Beichtgeheimnis fällt – in Australien hat dieser Dammbruch für das Selbstverständnis der katholischen Kirche schon stattgefunden. In Frankreich könnte er bevorstehen. Die Diskussionen, die aktuell dort zum Thema geführt werden, dürften auch in Deutschland nicht mehr lange auf sich warten lassen. Ein neues australisches Gesetz setzt das Beichtgeheimnis dort faktisch nicht nur außer Kraft. Es verpflichtet Priester sogar, wenn sie bei der Beichte von sexuellen Missbrauch erfahren, solche Fälle zu melden und so das Beichtgeheimnis aktiv zu brechen. Entsprechend groß ist der Protest von katholischer Seite. Eine Institution, die lange als unantastbar galt, sieht sich in ihren Grundfesten erschüttert.

„Im Knast beichtet jeden Tag jemand“, so ein Gefängnisseelsorger. Aber nicht im Beichtstuhl, sondern in den Räumen, in denen die seelsorgerlichen Gespräche stattfinden.

Die Argumente, die gegen das neue Gesetz ins Feld geführt werden, sind vielfältig und reichen von grundsätzlich bis eher pragmatisch: So ist zum einen von einer Diskriminierung der Kirche die Rede, solange zum Beispiel die ärztliche oder anwaltliche Schweigepflicht unangetastet bleibe. Andere versuchen, das neue Gesetz angesichts der kaum noch nennenswerten Zahl von Beichten zum „Papiertiger“ zu degradieren. Nach dem Motto: Solche Fälle kommen sowieso nie vor. Diese Argumente mögen mit Blick auf die juristische Entscheidung zwar stimmig klingen, blenden das wirkliche Problem allerdings aus oder verkennen das eigentlich Dramatische, das für die katholische Kirche hinter diesem Dammbruch steckt. Statt sich mit den Folgen zu befassen, sollten die Kritiker lieber die Ursache in den Blick nehmen. Denn nicht das Ergebnis ist die eigentliche Katastrophe, sondern die Gründe, die dazu geführt haben, sind es.

Und die muss man ganz klar in den eigenen Reihen suchen: Die katholische Kirche hat vielerorts durch den Umgang mit dem Missbrauchsskandal jegliches Vertrauen verspielt. In Australien, so hat es der päpstliche Missbrauchsbeauftragte, der Jesuit Hans Zollner, im letzten Jahr bei der Montagsakademie in Paderborn gesagt, liege es nicht bei null, sondern bei „minus zehn“. Konkret heißt das mit Blick auf Australien, dass sich dort sogar der katholische ehemalige Premierminister Tony Abbott für die Abschaffung des Beichtgeheimnisses ausgesprochen hat. Jetzt wird es eng für die katholische Kirche – nicht nur am deren Ende der Welt. Man geht nach außen und protestiert, das ist nachvollziehbar. Wichtiger aber ist, sich nach innen zu wenden. Denn da liegt eigentliche Problem.

Andreas WiedenhausDer Dom | Titelfoto: Wolfgang Harste, Lokalbüro Düsseldorf

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