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Kiffen, chillen und „begriffen“ reimen sich im RAP

22. August 2020

Danny Ohler, alias Danny Fresh, Rapper und Songwriter, begrüßt jeden Einzelnen der zwölf jugendlichen Inhaftierten mit dem Ellenbogen. Wegen Corona, klar. Sie kommen zum RAP-Workshop, den er hinter der Mauer anleitet. Der Kontakt zu ihm ist schnell hergestellt. Die Inhaftieren der Justizvollzugsanstalt sind überwiegend RAP begeistert. Noch etwas zurückhaltend sitzen sie in der Kirche der JVA Herford und schauen gespannt zu, wie Danny Fresh sein mitgebrachtes Tonstudio aufbaut. Ungewöhnliche Klänge in einer Kirche. Und doch kommen Themen zur Sprache, die tiefgreifend sind. Danny Fresh ist durch den wöchentlichen Newsrap im Radiosender bigFM zu hören.

Danny Ohler begann seine musikalische Karriere bereits im Jahr 1993 mit 16 Jahren durch die HipHop Crew „Warriors for Christ“ (W4C). 2005 war Danny Fresh als Feature auf Xavier Naidoos Album Telegramm für X zu hören. Danny Fresh veröffentlichte 2015 sein 4. Solo-Studioalbum “#losgehen”. Heute distanziert sich der 43-jährige Danny Fresh vom Verschwörungstheoretiker Xavier Naidoo. Die jugendlichen Inhaftierten kennen diesen Sänger kaum. Sie haben syrische oder kurdische Wurzeln, kennen Gangster-RAP und Freestyle. Die Musikrichtung RAP kommt ursprünglich aus den USA. Rap (englisch rap „Plauderei, Unterhaltung“; ist ein rhythmischer, markanter und meist schneller Sprechgesang in der populären Musik und Teil der Kultur des Hip-Hop. Er provoziert und benennt Problematiken. Doch im Umfeld von Erfahrungen Jugendlicher und junger Erwachsener ist Rap oft gewaltverherrlichend, frauenfeindlich und drogenidealisierend.

Bei der Themensammlung kommt genau  ein Begriff aus diesem Umfeld vor. Ein Jugendlicher sagt bei einer Sprechübung ganz deutlich „Kiffen“ und „Chillen“. „Was meinst Du damit?“, fragt der professionelle Rapper, der an der Popakademie in Mannheim studierte. Erst einmal betretendes Schweigen. „Na ja, eben chillen, entspannen und kein Stress haben“, erläutert der 18-jährige Sascha. „Ein Begriff kann verschiedene Assoziationen hervorrufen. Ein Gürtel zum Beispiel kann ein Mode-Hit sein oder es symbolisiert den Gürtel des Vaters, der damit die Kinder schlägt.“ Das sitzt. Man sieht regelrecht, wie es in den Köpfen der Inhaftierten beginnt zu arbeiten.

Auf einen zuvor generierten Musikbeat mittels elektronischer Technik, sollen Texte geschrieben werden. Gar nicht so einfach, wenn man auf den Takt und die Silben achten muss. Vielleicht macht das Schreiben selbst Probleme. Manch einer denkt, warum kann ich jetzt nicht einfach auf ein Beat rappen? Geschickt und ohne zu provozieren lenkt Danny Fresh den Blick auf die gesammelten Begriffe. „Was reimt sich den auf kiffen?“ Das Wort „begriffen“ wird genannt. „Ich gehe raus, um zu kiffen und hab‘ s nicht begriffen“ – daraus kann ein echter Songtext werden…

Der in Heidelberg lebende Danny Fresh macht Mut und ermuntert, seine eigenen Fähigkeiten einzusetzen. Er will Texte, die nicht irgendwelchen vorgegebenen Trends folgen. Er will Erfahrungen aus dem eigenen Leben hören. Mit der digitalen Technik kann man jede Tonschräglage korrigieren. Da traut sich einer, das Mikrofon in die Hand zu nehmen und seine eigene Stimme zu präsentieren. „Sehr nice, super“, lobt der Profi-Rapper. Irgendwie haben die Gefangenen Vertrauen gefasst. Man muss nicht auf der großen Bühne stehen. Es geht darum, sich etwas zuzutrauen, sich und andere anzunehmen und seine Problematik anzusehen. Schon die Aufnahme mit dem speziellen Mikrofon und dem Kopfhörer ist aufregend genug.

Diesem gibt der Rapper genügend Raum. Er zeigt eine Medaille der Anonymen Alkoholiker. „Warum braucht man Alkohol oder Drogen, um zu chillen?“ Vielleicht, um lockerer zu werden, jemanden zu sein, der man gerne wäre, aber nicht ist? Viele Fragen türmen sich da auf. Die Musik kann ein Ventil und ein Zugang zu seinem Leben sein. Durchaus provozierend, aber nicht verletzend anderen gegenüber und vor allem sich selbst nicht. Das mag auch einer der Gründe sein, warum sich einige zurückhalten. Werde ich in der Gruppe ausgelacht? Wer erntet Zustimmung und wer nicht? Danny Fresh honoriert gemeinsam mit anderen in der Gruppe jeden Versuch und arbeitet ressourcenorientiert. Zwei Tage Workshop mit RAP-Musik in der über 140 Jahre alten Kirche hinterlässt Spuren. Dies ist das Ziel des Mannes aus Baden-Württemberg. Er will in den RAP-Workshop´s Bewusstseinsarbeit vor allem mit jungen Menschen mithilfe der Musik machen. Dies ist neben seinem musikalisch-pädagogischen Fachwissen sein Spezialgebiet.

Michael King | JVA Herford

Den zweitägigen Workshop in der Justizvollzugsanstalt Herford begleiten der Erziehungswissenschaftliche Dienst mit Diplom Pädagogin Michelle Moning und der Gefängnisseelsorger Michael King. Finanziell unterstützt der Verein für Straffälligenhilfe Herford e.V. das Projekt. 2018 war Danny Fresh im Rahmen des Deutschen Fußballbundes (DFB) in der Anstalt. An einem Tag wirkten die freiberuflichen MusiklehrerIn der Musikschule Herford im Rahmen des seit über 6 Jahren laufenden Projekts „Musikband“ mit Adriana Riemann (Klavier, Geige, Gesang und Gitarre) und Roland Reuter (Schlagzeug, Percussion und Drumset) mit.

 

2 Rückmeldungen

  1. Marishka sagt:

    Danny Ohler ist wirklich sehr gut! Ich höre seine Stimme gerne auf BigFm.

  2. Susanne Kramer sagt:

    Hi hi. Super.

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