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Kirche im Netz: credo-online mit Psalmobeats

21. Oktober 2019

So kannte man Kirche im Netz noch nicht: Auf credo-online wird das Evangelium gerappt und es gibt Glaubensbekenntnisse als Video-Selfies. Ein Blick auf den mutigen Internet-Auftritt. Dass die Katholische Kirche in Deutschland zeitgemäß im Netz kommuniziert, das hat sich die im Bistum Augsburg die Dialogplattform credo-online auf die Fahnen geschrieben. Aber was macht denn dieses Portal anders als die anderen kirchlichen Angebote?

Der Unterschied fällt einem ziemlich schnell auf: Bei den „Psalmobeats“ werden Psalmen aus der Sonntagsliturgie neu interpretiert, mit dem Ziel Ohrwürmer zu erzeugen, die einen durch die Woche begleiten und ans Gebet erinnern. Die kommen tatsächlich erfrischend anders daher als jene Kirchenlieder mit Gitarrenbegleitung, mit denen Menschen im Umfeld von Kirchentagen regelmäßig traktiert werden. Der „credoRAP“ setzt sich in gerappter Form mit Stellen aus dem Evangelium auseinander und „credo unplugged“ setzt traditionelle Lieder aus dem Gotteslob musikalisch neu in Szene. Diese Formate wirken mutig und verbreiten den christlichen Glauben auf ganz neuen Wegen. Diese innovativen Video-Formate entwickeln die Medien-Profis Thomas Weifenbach und Raphael Schadt.

Es war bislang ein echtes Kreuz mit der Kirche im Netz. Zwar haben die deutschen Bistümer allesamt Facebook-Auftritte (von der Kommunikation via Twitter und Instagram reden wir an dieser Stelle lieber mal nicht…). Allerdings hatte man in vielen Fällen den Eindruck, dass diese Profile eher wie ein Pfarrbrief 2.0 gesehen wurden. Danksagungen an Ehrenamtliche, Hinweise auf Kurse für Angehörige von Demenzkranken und Fotos von Bergkreuzen. Das Anstoßen von Debatten – es geht schließlich um soziale Netzwerke – vermisst man im Regelfall. Ebenfalls die Bereitschaft, mit den Usern zu kommunizieren. Papst Franziskus, das Oberhaupt der Katholiken, ist hier ein Sonderfall. Er verlässt auch im Fall der sozialen Netzwerke die spirituelle Komfortzone. Das zeigen seine Facebook-Postings, Tweets und Instagram-Bilder täglich aufs Neue.

Zwar gibt es katholische Amtsträger, die im Netz ziemlich erfolgreich unterwegs sind. So hat der Bischof von Passau, Stefan Oster, über 12.000 Follower auf Facebook. Aber der nutzt das soziale Netzwerk eben auch als Mittel der Kommunikation und des Dialogs. Als erfolgreiche Facebook-Marken könnte man auch den Theologen und Gebetshaus-Leiter Johannes Hartl oder den Autor Josef Müller („Ziemlich bester Schurke“) hervorheben. Wie zeitgemäße Kommunikation kirchlicher Amtsträger im Netz heutzutage aussehen kann, zeigt beispielhaft der Weihbischof in Los Angeles, Robert Barron, auf seinen Kanälen auf Facebook, Twitter oder Youtube.

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Hinter dem Projekt credo-online stehen der Autor und Publizist Alexander Pschera sowie Pfarrer Ulrich Lindl. Der Geistliche wehrt sich zwar entschieden gegen den Eindruck, dass die Kirche im Netz oftmals nicht den richtigen Ton trifft. Dass aber bei der digitalen Kommunikation noch viel Luft nach oben ist, das will der Leiter der Hauptabteilung „Kirchliches Leben“ in der Diözese Augsburg nicht leugnen. „Wie können wir mit der Botschaft des Glaubens, mit dem Evangelium Christi Menschen erreichen?“, verdeutlicht Pfarrer Lindl die Intention, die hinter credo-online steht. Seine Antwort: „Indem wir dorthin gehen, wo sich Menschen aufhalten. Nichts anderes hat schon Paulus getan. Die heutigen Internetforen und sozialen Netzwerke sind die Marktplätze von heute. Menschen bewegen sich im Netz, fragen nach, suchen und tauschen sich aus. Da darf Gott nicht fehlen.“

Medien – konkrete Wirklichkeitserfahrungen

Tatsächlich springt die Kirche reichlich spät auf den Zug der „neuen Medien“ auf – die so neu ja gar nicht mehr sind, findet Mitinitiator Alexander Pschera. „Die Rede von den ’neuen Medien‘ sollte eigentlich eingestellt werden. Denn erstens sind sie in der Tat gar nicht mehr ’neu‘, und zweitens sind sie keine ‚Medien‘ mehr, sondern vielfach die konkrete, primäre Wirklichkeitserfahrung selbst. Sie sind zu einem Teil der menschlichen Genetik geworden, zu einem Bestandteil der DNA sozusagen.“ Für viele Menschen gehören Facebook, Twitter und Instagram längst zum Leben dazu, meint Pschera: „Es ist nicht so, dass das Leben medial vermittelt wird, sondern das Leben findet im Medium statt. Dann ist es doch nur logisch, wenn sich auch die wichtigsten Fragen dieses menschlichen Lebens in diesem ehemaligen ‚Medium‘ artikulieren – als Aufruf, Angebot, Trost, wie auch immer.‘

Credo-online besteht aus vier Bereichen: Eine wichtige Säule ist ein Gemeinschaftsblog, in dem 30 Blogger über ihre Glaubenserfahrungen berichten. In Glaubensbekenntnissen als Video-Selfies erzählen sie, wie sie ihren persönlichen Glauben im Alltag leben. Mit bemühter Jugendlichkeit, mit der viele Theologen oft anecken, hat das alles nichts zu tun. Hier kommunizieren Menschen – bei Facebook und auf einer altmodischen Website – ihren Glauben und scheuen sich auch nicht vor dem Dialog Diese authentischen Berichte hält Pfarrer Lindl für wichtig im Hinblick auf die Neuevangelisierung des teilweise glaubens- und kirchenfernen Deutschlands: „Gott vermittelt sich durch Erfahrungen.“

Soziale Netzwerke – Ort des Plauderns

Die Menschen sollen bei credo-online ihre Erfahrungen mitteilen und mit anderen in den Dialog treten.“Neben dem Gemeinschaftsblog zum Glauben im Alltag gibt es ein Magazin, das Orientierung in Glaubensfragen bietet. Zum Beispiel berichtet ein Pfarrer von „der anderen Seite des Beichtgitters“. Und stellt klar: Nein, ihm kommt es nicht darauf an, den Gläubigen im Beichtstuhl die Leviten zu lesen. Im Gegenteil: Sein Motto beim Abnehmen der Beichte: „Im Himmel ist mehr Freude über einen Sünder, der umkehrt, als über neunundneunzig Gerechte.“ Ziel sei es ja, dass der Gläubige hinterher mit Frieden und Freude aus dem Beichtstuhl gehe.

Wer etwas auf dem Herzen hat und himmlischen Beistand erbittet, kann auf der Seite auch – natürlich anonym – seine Gebetsanliegen in einer virtuellen Kapelle platzieren. Für diese Anliegen beten Mönche und Nonnen aus zwölf Klöstern aus dem Bistum Augsburg. Zum Beispiel die Missionsbenediktinerinnen aus Tutzing. Die Menschen posten viele Anliegen auf credo-online. Ein User bittet um das Gebet für seine psychisch kranke Schwester. Ein anderer um Fürsprache für seinen kürzlich verstorbenen Kollegen. Und wieder ein anderer bittet für einen schönen Urlaub, zu dem er demnächst mit seiner Familie aufbricht. Unzählige Menschen, unzählige Anliegen.

Der Bereich „Impulse“ auf credo-online soll zum Weiterdenken anregen. Etwa: Was heißt „Glauben“ eigentlich und wie hat Jesus selbst diesen Begriff gebraucht? Um dem nachzugehen, feuern die Macher von credo-online täglich einen Vers aus dem Neuen Testament auf Twitter ab, in dem es um ‪#‎Glauben geht. Ausdrücklich betont Pfarrer Lindl, dass credo online nicht nur ein Angebot für die Frommen und Kirchgänger sei. Nein, auch Nichtgläubige können auf Facebook oder über die Website an die Gläubigen herantreten. „Es ist ein Ereigniskanal“, hebt Pfarrer Lindl hervor. „Was sich ereignet, haben wir nicht im Griff. Gott sei Dank!“ Den Dialog mit den Kirchenfernen soll auch ein „Glaubenschat“ vorantreiben, der im Herbst starten soll. Zu bestimmten Zeiten (zunächst am Sonntagabend) stehen erfahrene Theologen für Fragen bereit. Demnächst sollen auch einzelne Pfarreien im Bistum Augsburg miteinbezogen (und abgebildet) werden.

Franziskus ist ja selbst das beste Beispiel dafür, dass man die Menschen am besten dadurch erreicht, dass man so redet, wie einem der Mund gewachsen ist. Das sehen auch die Macher von credo-online so. Gerade der unverkrampfte Dialog ist das, was sich Pfarrer Lindl wünscht. „In anderen Ländern kommt man über den Glauben so schnell ins Gespräch, wie hierzulande über den Fußball und den Urlaub“, so Pfarrer Lindl. „Gehen Sie in Brasilien in eine Bäckerei und sie erleben, wie Menschen ganz normal über Gott diskutieren.“

Keine Frage: In Deutschland haben soziale Netzwerke vielfach die Bäckereien als Ort des Plauderns abgelöst. Papst Franziskus dürfte sich definitiv freuen, wenn die Gläubigen mit credo-online neue Wege im Netz beschreiten.

Franz Rohleder | Mit freundlicher Genehmigung: Merkur.de.

 

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