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Anders katholisch. Ein Weg in die Zukunft?

10. Oktober 2019

Wer katholisch ist, ist Teil einer weltumspannenden Gemeinschaft, in der die grundlegenden Glaubensüberzeugungen und „Spielregeln“ überall gleich sind. Trotzdem gibt es etwa mit Blick auf gelebte Traditionen und das christliche Brauchtum auch in der katholischen Kirche regionale Unterschiede. Ein geografisch großes Bistum mit nur wenigen Katholiken ist das Bistum Magdeburg. Dessen Bischof Gerhard Feige wirft in seinem neuen Buch einen genaueren Blick auf die Diözese und skizziert die Zukunft der Kirche als „schöpferische Minderheit“ in einem säkularen Umfeld.

Zur Einheit gesellt sich in der katholischen Kirche also immer auch die Vielfalt. Das betont auch der Magdeburger Bischof Gerhard Feige in seinem neuen Buch „Anders katholisch“, das jetzt im Freiburger Verlag Herder erschienen ist. Man könne durchaus sagen, so Feige, dass „nicht überall alles genauso katholisch ist: in Italien wie in Schweden, in Polen wie in Deutschland, in Papua-Neuguinea wie in den USA, in Bayern wie in Schleswig-Holstein, im Rheinland wie in Sachsen-Anhalt“. „Anders katholisch“ meine vor diesem Hintergrund, vor Ort eine eigene Geschichte zu haben und mit besonderen Prägungen und Herausforderungen unterwegs zu sein, die sich von der kirchlichen Wirklichkeit in anderen Ländern und Regionen merklich unterschieden.

Briefe, Grußworte und Predigten

Das, so diagnostiziert der Bischof, gilt auch für das Bistum Magdeburg, das in diesem Jahr sein 25-jähriges Bestehen feiert und dem Feige seit mittlerweile 14 Jahren als Bischof vorsteht. Das Jubiläum der Diözese war für ihn wohl ein entscheidender Anlass für das nun vorgelegte Buch. Auf 240 Seiten hat der Oberhirte Briefe, Grußworte und Predigten aus den vergangenen 15 Jahren zusammengetragen, in denen er sich vor dem Hintergrund seiner Diözese mit Fragen wie „Woran erkennt man Christen?“, „Was ist für uns typisch als Kirche?“ und „Wofür leben wir Katholiken?“ auseinandersetzt. Daneben finden sich in dem Buch zwei bereits früher publizierte Texte – einer zur Geschichte der Katholiken im „Land Luthers“ seit der Reformation, und einer zu Feiges persönlichen biografischen Erfahrungen.

Eines unserer Spannungsfelder besteht darin, dass wenige Katholiken über ein weites Gebiet verteilt sind.

Die besondere Prägung und Herausforderung des Bistums Magdeburg, das macht Feige zu Beginn des Buchs deutlich, ist die Diskrepanz zwischen der enormen geografischen Größe der Diözese und der geringen Zahl der dort lebenden Katholiken. Mit rund 23.000 Quadratkilometern ist das überwiegend in Sachsen-Anhalt sowie in Teilen Brandenburgs und Sachsens liegende Bistum nach der Fläche zwar die viertgrößte Diözese Deutschlands, bei der Zahl der Gläubigen rangiert es mit nur etwas mehr als 81.000 bundesweit jedoch auf dem vorletzten Platz.

„Eines unserer Spannungsfelder besteht also darin, dass wenige Katholiken über ein weites Gebiet verteilt sind“, erklärt Feige, der in diesem Zusammenhang darauf hinweist, dass es in seinem Bistum angesichts eines Katholikenanteils von nur etwa drei Prozent an der Gesamtbevölkerung „normal“ sei, keiner Kirche anzugehören. Sich als Ortskirche auf eine solche Befindlichkeit einzustellen, erfordere eine große Offenheit und einen langen Atem. „Zweifellos wirken sich diese Umstände auch auf unser Selbstverständnis, unsere gesellschaftliche Rolle und unsere ganz praktischen Vollzüge aus“, schreibt der 67-Jährige.

Katholiken als „schöpferische Minderheit“

Die Rolle seiner Kirche in Sachsen-Anhalt skizziert Feige in seinem Buch in der Form einer „schöpferischen Minderheit“. Als solche wollten sich die Katholiken – auch wenn sich die äußere Gestalt der Kirche in den kommenden Jahren weiter dramatisch verändern werde – in die säkulare Gesellschaft Mitteldeutschlands einbringen und in ökumenischem Geist „auch in Zukunft vielfältig und lebendig das Evangelium“ bezeugen.

Großen Wert legt Feige, der in der Vergangenheit wiederholt seine Stimme für Ostdeutschland erhoben hat und von der Wochenzeitung „Die Zeit“ sogar schon als „Rebell aus dem Osten“ bezeichnet wurde, in diesem Kontext auf die Eigenständigkeit seiner Diözese. Das Bistum Magdeburg sei zwar nicht der Nabel der Welt, aber auch nicht nur ein „Anhängsel“ der katholischen Kirche in Deutschland. „Sicher erscheinen wir in vielem anders als andere: vielleicht nicht so traditionsbezogen, folkloristisch und trachtenreich, sondern eher nüchterner und ernsthafter oder auch ökumenischer. Damit sind wir aber nicht weniger katholisch.“ Das Buch solle dies noch deutlicher werden lassen und Einblicke in das Denken und Empfinden sowie Leben und Wirken von Katholiken und ihrer Kirche im Osten Deutschlands vermitteln.

Laien nicht Lückenbüßer für pastorale Notsituation

Im langen Schlusskapitel seines Buchs legt Feige unter dem Titel „Auf dem Weg in die Zukunft“ einen Schwerpunkt auf die inhaltliche und strukturelle Entwicklung des Bistums Magdeburg seit 2004. Vom „Pastoralen Zukunftsgespräch“ zur Bildung von Gemeindeverbünden und Errichtung neuer Pfarreien über die „Zukunftsbilder“ bis hin zu den ersten „Pfarreien ohne kanonischen Pfarrer“ – im Schnelldurchgang berichtet der Bischof über die verschiedenen Reformbemühungen der vergangenen Jahre, bei denen es meist darum ging, dem zunehmenden Mangel an Priestern und Gläubigen entgegenzuwirken.

Die Kirche ist nicht an bestimmte Verhältnisse gebunden; sie kann überall – auch unter schwierigsten Umständen – Wurzeln schlagen.

Besonders interessant sind hierbei Feiges Ausführungen zu den jüngsten Versuchen seines Bistums, Laien so zu stärken und zu befähigen, „dass diese für das Leben in den Gemeinden und Pfarreien noch mehr Verantwortung übernehmen können“. Dabei geht es aus Sicht des Bischofs ausdrücklich nicht darum, Laien als Lückenbüßer für eine pastorale Notsituation zu rekrutieren. Vielmehr lägen die Überlegungen seines Bistums auf einer Entwicklungslinie, die bereits im Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) zum Ausdruck gekommen sei: „dass alle Gläubigen Kirche sind und diese sich nicht nur ereignet, wo ein Priester ist.“ Wie nötig entsprechende Überlegungen im Bistum Magdeburg sind, verdeutlicht eine aktuelle Zahl, die Feige in seinem Buch nennt. Demnach haben, trotz der in den vergangenen Jahren erfolgten Zusammenlegung von Kirchengemeinden, acht der 44 noch verbliebenen Pfarreien wegen des sich verschärfenden Priestermangels inzwischen keinen eigenen Pfarrer mehr – und das wohl auf Dauer.

Kirche kann überall Wurzeln schlagen

Trotz solcher Herausforderungen zeigt sich Feige mit Blick auf die Zukunft der Kirche optimistisch. Zweifellos verändere sich die äußere Gestalt der Kirche schon jetzt dramatisch – nicht nur im Osten Deutschlands, sondern auch dort, wo bislang noch volkskirchliche Verhältnisse anzutreffen seien. Dies bedeute aber „nicht unbedingt“ den Untergang der Kirche. „Die Kirche ist nicht an bestimmte Verhältnisse gebunden; sie kann überall – auch unter schwierigsten Umständen – Wurzeln schlagen, sich entfalten und ihrer Bestimmung gerecht werden“, ist Feige überzeugt.

Sein Buch ist auch wegen dieser optimistischen Grundhaltung lesenswert – insbesondere für Menschen außerhalb des Bistums Magdeburg. Wer die katholisch-ostdeutsche Seele und die spezifischen Nöte und Herausforderungen der Kirche im säkularen Osten der Bundesrepublik besser verstehen möchte, dem sei das Werk des Magdeburger Bischofs zur Lektüre empfohlen.

Steffen Zimmermann | katholisch.de

 

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