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14 Kreuzweg-Tafeln aus der Klinik ins Gefängnis

23. Dezember 2021

Viele Jahre hingen die 14 Tafeln in der Kapelle der St. Vincentius-Klinik in der Steinhäuserstraße. Die ViDia Kliniken sind ein Verbund Christlicher Kliniken in Karlsruhe. Unzählige Menschen haben vor diesen Kreuzweg-Tafeln gebetet und Trost gesucht und gefunden. Im Zuge der Neu- und Umbaumaßnahmen an den ViDia Kliniken wurde die Kapelle entweiht – und für die Holztafeln musste ein neuer Platz gefunden werden. Dieser Platz wurde nun in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Karlsruhe entdeckt. Künftig werden die Kreuzweg-Tafeln die Gefängniskapelle schmücken.

„Als ich erfahren habe, dass die Krankenhaus-Kapelle profaniert wird, habe ich gleich bei Klinikpfarrer Matthias Mertins angefragt, ob wir die Tafeln bekommen können“, erzählt Gefängnisseelsorger Michael Drescher. „Ich bin sehr dankbar und glücklich, dass die ViDia Kliniken uns die Tafeln überlassen haben“, fügt er hinzu. Es habe allerdings ein kleines Problem gegeben, sagt Drescher und meint damit den fehlenden Platz in der kleinen Kapelle. „Wir können an den Wänden nicht alle 14 Tafeln aufhängen“, erklärt er.

Drescher wandte sich daher an das Künstlerehepaar Barbara Jäger und OMI Riesterer. Die Malerin und der Bildhauer hatten bereits 2008 bei der Neugestaltung der JVA-Kapelle mitgewirkt und unter anderem den Altar und die Kerzenanlage entworfen und gebaut. Die beiden fanden nun auch eine Lösung für die 14 Kreuzweg-Tafeln. „Wir haben zwei bewegliche Stelen gebaut, an denen die Tafeln angebracht werden können“, sagt Jäger. Die Stelen bestehen aus Birkenholz, die Bodenplatten sind aus Buchenholz. „Das Holz wurde lediglich geölt, so dass die Stelen gut zu den Tafeln passen“, meint Jäger. Die Kreuzweg-Tafeln wurden aus Lindenholz geschnitzt und stammen wohl aus dem 19. Jahrhundert. „Allerdings kann man das Alter nur schätzen“, sagt Jäger und erklärt das vermutete Alter damit, dass die Tafeln mit römischen Zahlen gekennzeichnet sind. OMI Riesterer fügt hinzu, dass es sich um „hervorragende Arbeiten“ handle, die sehr detailreich seien. „Leider gibt es nirgends eine Signatur, so dass wir den Künstler nicht kennen“, bedauert er.

Michael Drescher findet, dass der Kreuzweg hervorragend in die Justizvollzugsanstalts-Kapelle passe, was nicht nur damit zu tun habe, dass der Kreuzweg und die JVA wohl ungefähr das gleiche Alter hatten. „Es gibt auch viele Möglichkeiten, die Darstellungen auf den Tafeln umzuinterpretieren und sie damit an die Situation der Häftlinge anzupassen“, sagt er und nennt Beispiele: Station vier zeigt, wie Jesus seiner Mutter begegnet, Station acht stellt die Begegnung mit den weinenden Frauen dar. „Auch in der JVA sind die Begegnungen mit den Familienangehörigen sehr emotional“, berichtet Drescher. Station sechs, in der Veronika Jesus das Schweißtuch reicht, bezieht der Gefängnisseelsorger auf die ehrenamtlichen Helfer, die sich für die Inhaftierten engagieren.

Als weiteres Beispiel nennt er die Station neun, in der Jesus zum dritten Mal unter dem Kreuz fault. „Auch das lasst sich auf die Situation der Gefangenen umdeuten“, meint Drescher. „Für viele wird die Last schwer, wenn die Familie, der Arbeitsplatz weg ist.“ Bisher gibt es in der JVA keinen Kreuzweg. Drescher ist davon überzeugt, dass sich die Tafeln gut in die Gottesdienste einbauen lassen. „Wir können sie von den Stelen abnehmen und den Leuten in die Hand geben. so dass sie sie nicht nur ansehen, sondern auch anfassen können“, sagt er. Dies komme vor allem jenen Häftlingen zugute. die der deutschen Sprache mächtig seien, meint Drescher. „Die Tafeln sind damit berührend im wahrsten Sinne des Wortes“, fugt Jäger hinzu. Die Tatsache. dass der Kreuzweg nun in der JVA eine neue Heimat finde, sei ein Glücksfall, versichert Riesterer. ,,Oft ist es schwierig, eine sinnvolle Verwendung für Kunstwerke zu finden“,  meint er „Es wäre wirklich schade, wenn diese wunderbaren Arbeiten irgendwo verstauben würden.“

Martina Erhard, Badische Neuste Nachrichten | Zeitungsfoto: Jörg Donecker

 

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